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In Balzfeld vor dem Verladen der Glocke: von links: die Daisbacher Winfried Glasbrenner, Anton Kronewitter, Heiner Ott, Dieter Zapf mit Urban Ronellenfitsch (2.v. rechts)

 

Nach fast 100 Jahren zurückgekehrt - Sensation für Daisbach

Waibstadt-Daisbach. (wig) Sie ist weit herumgekommen: vom „Geburtsort“ Dallau kam sie nach Daisbach, dann ging ihr Weg über Hasselbach, Kochendorf, Herrenberg, Karlsruhe, Balzfeld wieder nach Daisbach zurück. Die Rede ist von der Glocke, die im Glockenmuseum Herrenberg den Namen „Ratsglocke“ erhielt.

Bis 2008 war man in Daisbach davon ausgegangen, dass diese Bronzeglocke, 1855 von Martin Bachert in Dallau gegossen, Ende des 1. Weltkrieges, im Mai/Juni 1917, vom Staat für militärische Zwecke eingezogen und eingeschmolzen wurde.

„Gegossen von Martin Bachert in Dallau fuer die Gemeinde Daisbach im Jahr 1855“ steht auf der Glocke zu lesen, sie wurde also nicht für die kirchliche, sondern für die politische Gemeinde hergestellt. Das frühere Daisbacher Rathaus in der Daisbachtalstraße 33 war mit einem so genannten Dachreiter versehen. Hier hing die Glocke, um die Ratsherren zur Sitzung zu rufen oder um bei Bränden oder anderen Schadensfällen „Sturm zu läuten“. Später wurde sie der Kirchengemeinde überlassen, ihr Platz war im Dachreiter, dem auf das Dach der evangelischen Kirche aufgesetzten Türmchen.

Nach dem 1. Weltkrieg, im Oktober 1919, wurden neue Glocken angeschafft. Die noch vorhandene nahm die Firma Bachert in Zahlung. Sie wurde der Kirchengemeinde in Hasselbach verkauft, bis diese 1950 selbst neue Glocken anschaffte. Die Firma Bachert nahm die Glocke von 1855 zurück und bewahrte sie auf. 1990 wurde sie dem „Verein zu Erhaltung der Stiftskirche Herrenberg“ als Dauerleihgabe überlassen. Der Verein betreibt im mächtigen Turm der Stiftskirche ein viel beachtetes Glockenmuseum.

Von all dem wusste man in Daisbach nichts. Erst 2007 entdeckte Heimatforscher Reinhard Stichling im Internet den Hinweis auf die Daisbacher Ratsglocke. Es entstand eine rege Korrespondenz mit dem Museumsverein. Sowohl die Heimatfreunde, als auch die Kirchengemeinderäte machten sich auf nach Herrenberg (die RNZ berichtete damals mehrfach).

Der Daisbacher Ortschaftsrat wollte die Glocke zurück haben. Mit der Funktion einer Beerdigungsglocke sollte sie auf dem Friedhof in einem neuen Türmchen unterkommen. Doch daraus wurde nichts. „Traum von der Rückkehr geplatzt“ titelte die RNZ am 17.10.2008, denn der Verein in Herrenberg wollte das „besonders schöne und klanglich gelungene Instrument der Glockengießerfamilie Bachert“ nicht herausgeben.

Eine Wendung ergab sich, als Ortsvorsteher Winfried Glasbrenner im November 2010 einen neuen Vorstoß machte. Die Herrenberger teilten mit, dass die Firma Bachert ihre Glocke zurückgefordert habe. Besitzer Albert Bachert in Karlsruhe zeigte sich daraufhin erfreut über den Gedanken, dass „die Glocke nach fast 100 Jahren in ihrem Ursprung wieder aufgehängt werden und eine liturgische Funktion haben soll“.

Es wurde Einigkeit über den Preis erzielt. Mittlerweile war die Glocke aber schon in Balzfeld angelangt. Im Gemeindehaus sollte sie die Gemeindeglieder zu Spenden für neue Glocken für die Kirche animieren.

Der Vorsitzende des Balzfelder Pfarrgemeinderats, Urban Ronellenfitsch, war jetzt gerne bereit, der Daisbacher Abordnung beim Verladen der 83-Kilogramm schweren Glocke samt neuem Klöppel, Joch und Holzgestell zu helfen.

Der Ortsvorsteher hofft, dass die für den Bau des Glockenturms nötigen Spenden bald zusammen kommen, damit dieser zusammen mit der Neugestaltung des Vorplatzes der Trauerhalle noch dieses Jahr errichtet werden kann. Solange wird die Glocke jetzt im Chorraum der evangelischen Kirche Daisbach aufgestellt. Fast 100 Jahre, nachdem sie  abtransportiert wurde, ist sie hierher zurückgekehrt. (Glasbrenner)